Jetzt weiß ich wofür Twitter gut ist. Ein paar Zeichen genügen! „Großartiger, großartiger Vortrag von Gunter Dueck, unbedingt schauen! http://www.youtube.com/watch?v=MS9554ZoGu8“. Ich habe keine Ahnung, wer von uns das gepostet hat. Aber ich habe gehorcht und den Apell ausgeführt und war verdammt glücklich, dass ich das tat.
Es handelt sich um den Vortrag “Das Internet als Gesellschaftsbetriebssytem”, den Gunter Dueck (laut Wikipedia deutscher Mathematiker und Philosoph, zudem Kolumnist im Bereich Informatik) auf der re:publica 2011, der Konferenz über Blogs, soziale Medien und die digitale Gesellschaft, Mitte April in Berlin gehalten hat. Nach dem Tanken der druckreifen Comedy im unschuldigen, ja fast naiven Tonfall, musste ich den Link erst einmal auf facebook weiterposten. So viele steile Thesen, die da auf einen einprasseln… Und immer wieder die Rückfrage ins Publikum: “Mhhmm, ja, verstehn Sie?” Da merkt man erst, über welche Sachen man in letzer Zeit eben doch versäumt hat nachzudenken.
(cc) dirk haeger | re:publica
Nur ein paar Ausschnitte:
„Es kann sein, dass das wirklich Wertvolle im Internet steckt, gar nicht in Ihrem Kopf. Und das in Ihrem Kopf ist nur so ein kleiner Ausschnitt, den Sie jetzt eher als Handy mit sich rumtragen. Als wären Sie eine Ameise wo eigentlich der Haufen das Wichtige ist. Verstehn Sie? Da gibt’s jetzt son Betriebssystem, wo alles drin steht und das alles weiß und Sie sind dann so eine kleine Made in dem System.“
„Und damit ist ein Apell verbunden, dass wir mehr können müssen in der Zukunft. Also nicht nur das was sowieso im Internet steht, ja? Also wenn sie zur einer Bank gehen und wissen wollen was eine Aktie … aus Indien ist, dann weiß das der Bankberater eh nicht, aber Sie schon, weil Sie ja gesurft haben… Ich frage jetzt einfach mal, wissen Sie in Ihrem Beruf mehr als ein frisch Gesurfter? … Und was wir machen müssen: Überlegen welche Berufe dann noch übrig bleiben. Das ist die spannende Frage der nächsten Zeit.“
„Und wenn Sie heute in Stellenanzeigen gucken, dann haben wir auf der einen Seite sowas wie: Sie sollen irgendwie Verhandlungssicher sein, Teamfähig und so weiter und so weiter… und da steht nicht drin, dass Sie fachlich gut sein müssen. Das können Sie lernen und im Prinzip steht das Fachliche im Internet. Das kann man regeln aber das andere nicht. Und die Frage ist nun einfach, was passiert jetzt mit der Welt? Und ich wage mal eine Voraussage, dass die Welt sich scheidet in Professionals und Unprofessionals.“
Auf die Spaltung des Menschenbildes geht Dueck noch differenzierte ein. Da greift er die Theorie X über die Menschen auf, die nur so viel arbeiten wie sie müssen und deswegen Anleitung benötigen. Sowie die Theorie Y, die quasi die Professionals behandelt, die von sich aus arbeiten wollen und zudem oder gerade deswegen im Besitz von „Nicht-IQ-Intelligenzen“ sind. Momentan, so Dueck, würden im Bildungssystem die Schüler und Studierende mit Tritten und Zückerli behandelt, als wären sie X-Menschen. Dass muss sich seiner Meinung nach ändern!
„Und dann greife ich ganz scharf das Schulsystem an, weil das eigentlich nur dazu dient die Festplatte zu füllen…. Jetzt muss der Lehrer nicht mehr wissen wie Kästchenrechnen geht und was bei rauskommt. Jetzt muss der echt Pädagogik können! … Wer macht dann die Persönlichkeitserziehung? Was passiert mit den sogenannten Prekariaten? … Wie bringt man Leuten bei professionell zu sein, wenn es die meisten gar nicht sind?“
Zudem fordert er Wissenschaft, Politik und letztlich das gesamte Publikum im Friedrichstadt Palast auf, sich auf ein Menschenbild zu einigen, so wie wir es haben wollen. Und wenn es dann die Professionals als neue Schicht gibt: „dann müssen Sie doch sagen, wie Sie dieses Land haben wollen, verdammt noch mal! … Das heißt, Sie müssen jetzt etwas wollen, und zwar nicht für sich und für das Internet sondern für alle, verstehen Sie? Auch für die „X-Menschen“. Wir könnten vielleicht sogar eine bessere Welt als vorher haben, denn vorher waren die Besitzenden gegen die Besitzlosen immer ganz schön hart, verstehn Sie? … Und jetzt haben wir die persönlich Gebildeten und die, die es noch nicht so weit gebracht haben, und vielleicht ist man dann ein bisschen netter zu einander, so dass die Schere nicht mehr so groß wird… Der, der aus Platons Höhle gegangen ist und das Licht gesehen hat, verstehn Sie, der soll auch wieder zurück kommen und den Leuten das Licht zeigen! Nicht noch weiter ins Licht gehen.“
Und spätestens ab diesem Statement war ich einfach nur noch froh, dass ich Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis studiere wo noch emotionale Intelligenz gelehrt wird!